Als Sondershausen Filmkulisse war
Erinnerungen und pikante Details über die Dreharbeiten für zwei DEFA-Filme in der Kreisstadt
Sondershausen bot nicht nur für die DEFA-Militärkomödie „Der Reserveheld“ im Jahr 1964 verschiedene Schauplätze. Fünf Jahre zuvor waren in der Stadt auch Szenen für den DEFA-Spielfilm „Schritt für Schritt“ im Schloßpark wie auch in der Kaserne gedreht worden, nach einer literarischen Vorlage von Karl Heinz Räppel, der Erzählung "Hanne, die Jawa und ich". Regie führte János Veiczi (1924-1987) ein ungarisch-deutscher Schauspieler, geschätzter Filmregisseur und Drehbuchautor, der vor allem durch seine Inszenierungen für das DEFA-Spielfilmstudio Bekanntheit erlangte, unter anderem für den Spionagethriller „For Eyes Only“, an dessen Drehbuch der Weimarer Schriftsteller Harry Thürk mitgewirkt hatte.
Im besagten Spielfilm „Schritt für Schritt“ gerät der damals sehr bekannte Schauspieler Raimund Schelcher mit seinem Filmsohn Hanne in Konflikt, weil dieser sich freiwillig zum Dienst in der eben neugegründeten Nationalen Volksarmee (NVA) verpflichtet hatte. Nach dem Ende des Krieges sollte niemand mehr ein Gewehr in die Hand nehmen; hatte sich nicht nur der von Raimund Schelcher dargestellte Dreher Rochlitz geschworen, der in all den Jahren zuvor mutig den Nationalsozialisten widerstanden hatte. Nach Gründung der NVA im Jahr 1956 war das damals für viele durchaus ein aufwühlendes Gesellschaftsthema, das reichlich Stoff für politische wie auch künstlerische Auseinandersetzung bot, in beiden Teilen Deutschlands.
Schlußendlich obsiegte im Film wie im tatsächlichen Leben die Erkenntnis, besser wohl Denkvorgabe, der Friede sei nicht nur mit Worten, er sei auch mit der Waffe zu verteidigen.
Bei den Dreharbeitem wirkten damals neben Raimund Schelcher gleichfalls bekannte Darsteller mit wie Erika Dunkelmann, Wilhelm Koch-Hooge, Harry Hindemith und Gisela May. Ich sehe noch heute, wie Raimund Schelcher im Schloßpark unter den schattigen Bäumen, links und rechts riesige Scheinwerfer, nach der Klappe im Gespräch mit seinem Filmpartner auf die Kamera zugeht, plötzlich inne hält, den Dialog unterbricht und mit den zuvor gegebenen Regieanweisungen hadert, vom Regisseur beruhigt werden muß. Raimund Schelcher galt als schwierig. Die Szene mußte noch einmal gedreht werden.
Wir Kinder am Rande des Szenegeschehens, die von Beginn an neugierig den Filmleuten bei ihrer Arbeit zusahen, hielten den Atem an und bewunderten Schauspieler und Filmleute gleichermaßen und staunten auch darüber, wie extra ein entferntes Brückengeländer an der kleinen Wipper im Park, rasch ausgeführt, weiß angestrichen worden war, zu unserer Verblüffung jedoch nur von einer der Kamera zugewandten Seite
„Schritt für Schritt“ wurde nur einmal in Sondershausen eine Woche lang aufgeführt. Dem Film war leider kein großer Erfolg beschieden. Im Gegensatz zum „Reservehelden“, der von DEFA-Regisseur Wolf gang Luderer (1924-1995) nach einem Drehbuch von Eulenspiegel-Autor Rudi Strahl in Szene gesetzt worden war.
Drehorte am Tag und im nächtlichen Sondershausen waren der Schloßspark, der Thüringe Hof wie auch die hiesige Kaserne sowie Straßen und Plätze ir der Stadt selbst und im nahegelegenen Dorf Schernberg. Premiere des „Reservehelden" war am 27. Februar 1965 im Theater der Freundschaft, in einem der beiden Kinos in unserer Stadt.
Vor der Kamera wirkten damals ebenfalls sehr bekannte Schauspieler mit wie Rolf Herricht als Reserveheld und Günter Simon als Regimentskommandeur, aber auch Herbert Köfer, Marita Böhme, Carmen-Maja Antoni, Peter Dommisch und Axel Triebel.
Und als Statisten und Kleindarsteller auf Zeit eben auch viele Bürger unserer Stadt, darunter zahlreiche meiner Klassenkameraden. Und es wurde damals viel in der Stadt erzählt.
Gerüchte von Gelagen im Bergbad und einem schweren Unfall
Einige Schauspieler seien am Ende des Tages nach den Dreharbeiten sehr trinkfreudig gewesen, sollen des Nachts im Bergbad den Zaun überklettert, Sekt getrunken und nackt gebadet haben. Es war Sommer, es war heiß.
Hinter vorgehaltener Hand sprach man leicht pikiert, aber durchaus mit großen leuchtenden Augen von Orgien. Wie im alten Rom, nur diesmal in Sondershausen. Und es soll an einem späten Abend auf der Chaussee zwischen Sondershausen und Berka wegen Trunkenheit eines Schauspielers am Steuer zu einem Autounfall mit tödlichem Ausgang für einen Mitfahrenden gekommen sein.
Bis heute weiß mir niemand zu sagen, was damals der Wahrheit entsprach oder lediglich als Gerücht in die Welt gesetzt worden war. Zeitungen klärten damals über vermeintliche menschliche Abgründe nicht auf.
Beim Aufbau eines neuen Morgenrot war Tragisches und erotisch Abseitiges nur außerhalb der Landesgrenzen, vornehmlich westwärts zugelassen. An die weisen Beschlüsse des Politbüros, der Städte und Gemeinden hatten sich einst alle zu halten, auch die Phantasie und die Träume der großen und kleinen Darsteller des Sozialismus, republikweit.
Schön :-)
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