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Freitag, 22. Juli 2016

DIE MÄRCHEN DER BRÜDER GRIMM IN UNSERER KINDHEIT

Eine Erinnerung an abendliche Märchenzeiten



MÄRCHENHAFTE LANDSCHAFT – WESTFÄLISCHE WASSERMÜHLE VON:
Andreas Achenbach (29. September 1815 in Kassel - 1. April 1910 in Düsseldorf)


VON HUBERT APPENRODT



Als wir Kinder waren und noch nicht zur Schule gingen, las uns unsere Mutter jeden Abend ein Märchen der Brüder Grimm vor, aus zwei dicken Märchenbüchern mit Illustrationen von Lea Grundig. Die Märchen seien sehr lehrreich. Jeden Abend, wir lagen bereits voll froher Erwartung in unseren Betten, freuten wir uns vor dem Einschlafen auf das Gutenachtmärchen. Später kam ein Buch mit wunderbaren Illustrationen von Ludwig Richter hinzu, in dem wir an manch grauem Regentag im Herbst oder bei tief stehender Sonne am winterliche Nachmittag oft blätterten oder später, als wir bereits zur Schule gingen, selbst lasen.



Die feinsinnigen, stimmungsvollen  Illustrationen trugen wesentlich zur Verzauberung in uns bei. Wir waren jedesmal dann ganz in uns selbst versunken - in prachtvollen Schlössern zu Hause, in prunkvollen Sälen und königlichen Gemächern, in tiefschwarzen Wäldern, hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen. Wenn wir vor unser Haus traten und zur Hainleite hinübersahen, jemand hatte uns darauf aufmerksam gemacht, konnten wie sieben Berge abzählen. Dort also weilte Schneewittchen, aß es unwissend den vergifteten Apfel, war es in einem gläsernen Sarg aufgebahrt, bis zu seiner glücklichen Erlösung. Oder wir bewunderten das tapfere Schneiderlein, wie es zwei Riesen hinters Licht führte und alle anderen Tapferkeitsproben gleichfalls einfallsreich und listig bestand. Wir hofften, nachdem wir das Märchen bereits kannten, mit dem Froschkönig und seinem getreuen Diener Heinrich auf Erlösung oder freuten uns mit den Bremer Stadtmusikanten, doch noch etwas besseres als den Tod gefunden zu haben, bevor am Abend die Nacht hereinbrach. Wir ließen uns am Wunschabend immer wieder das Märchen vom Schneewittchen vorlesen oder das von Dornröschen. Uns gefielen die Märchen von Rapunzel und Rotkäppchen, Brüderchen und Schwesterchen oder Allerleirauh, in der Weihnachtszeit besonders Hänsel und Gretel. Und bis heute kann ich mir keine anderen Illustrationen denken als jene von Lea Grundig und Ludwig Richter.



Später entdeckten wir, in welch schöner, wunderbarer, oft auch humorvoller Sprache die Märchen von Jakob und Wilhelm Grimm abgefaßt waren. Andererseits fiel uns erst viel später auf, welch Grausamkeit doch manches Märchen enthielt - was uns als Kinder damals weiter nicht störte, weil es immer Erlösung und ein gutes Ende gab, mit gerechter Strafe für das Böse und für die anderen, denen aus großer Not geholfen worden war, das Versprechen, von nun an ein langes, sorgenfreies Leben vor sich zu haben. Wie im richtigen Leben, wenn man das eine oder andere großzügig übersieht und nicht weiter beachtet – so daß auch wir nach einiger Zeit mit Jakob und Wilhelm Grimm sagen können: „Da hatten alle Sorgen ein Ende, und sie (und wir) lebten in lauter Freude zusammen.“



***

DIE ERSTEN FÜNFZEHN MÄRCHEN DER BRÜDER GRIMM



In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön, aber die jüngste war so schön, daß die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, sich verwunderte, sooft sie ihr ins Gesicht schien. / Eine Katze hatte (indessen) Bekanntschaft mit einer Maus gemacht und ihr soviel von der großen Liebe und Freundschaft vorgesagt, die sie zu ihr trüge, daß die Maus endlich einwilligte, mit ihr zusammen in einem Haus zu wohnen und gemeinschaftliche Wirtschaft zu führen. / Sie waren aber so arm, daß sie nicht mehr das tägliche Brot hatten und nicht wußten, was sie (einander) sollten zu essen geben. / Bald danach kam der Küster zum Besuch ins Haus, da klagte ihm der Vater seine Not und erzählte, wie sein jüngster Sohn in allen Dingen so schlecht beschlagen wäre, er wüßte nichts und lernte nichts.



(Und) Es dauerte nicht lange, so klopfte jemand an die Haustür und rief 'macht auf, ihr lieben Kinder, eure Mutter ist da und hat jedem von euch etwas mitgebracht.' / Da sah der getreue Johannes, daß es nicht mehr zu ändern war, und suchte mit schwerem Herzen und vielem Seufzen aus dem großen Bund den Schlüssel heraus. / Da ward der Fleischer zornig, griff nach einem Besenstiel und jagte ihn hinaus. / Da nahm er die Geige vom Rücken und fiedelte eins, daß es durch die Bäume schallte. / Die Mutter aber saß nun den ganzen Tag und trauerte, so daß der kleinste Sohn, der immer bei ihr war, und den sie nach der Bibel Benjamin nannte, zu ihr sprach ‚liebe Mutter, warum bist du so traurig?’ / Da gingen sie zusammen fort auf den Berg, und weil es ein heller Tag war, blieben sie bis zum Abend.



Es trug sich aber zu, daß der König des Landes eine große Jagd in dem Wald hielt. / Da hörte er einen Gesang, der war so lieblich, daß er still hielt und horchte. / Nun war der König in großer Freude, er hielt aber die Königin in einer Kammer verborgen bis auf den Sonntag, wo das Kind getauft werden sollte. / Da erschrak der Königssohn und sprach ‚so soll mir nun und nimmermehr meine schöne Braut ein Spinnrad anrühren.’ / Da hatten alle Sorgen ein Ende, und sie lebten in lauter Freude zusammen.





Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich

Katze und Maus in Gesellschaft

Marienkind

Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen

Der Wolf und die sieben jungen Geißlein

Der treue Johannes

Der gute Handel

Der wunderliche Spielmann

Die zwölf Brüder

Das Lumpengesindel

Brüderchen und Schwesterchen

Rapunzel

Die drei Männlein im Walde

Die drei Spinnerinnen

Hänsel und Gretel


MÄRCHENHAFTE LANDSCHAFT Gemälde von Andreas Achenbach (29. September 1815 in Kassel - 1. April 1910 in Düsseldorf)


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