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Freitag, 22. Juli 2016


Langer Feriensommer in Sondershausen
mit Pücklereis, Dreieckbadehose und Klatschmohn
 

Kindheitserinnerungen an acht Ferienwochen, an frohe Tage im Kinderferienlager, bei den örtlichen Ferienspielen, im Schwimmlager oder unterwegs mit dem Fahrrad



VON HUBERT APPENRODT

Sommer in Sondershausen war, wenn das Bergbad öffnete und hierfür im Sportwarengeschäft in der heutigen Güntherstraße reichlich Dreieckbadehosen auslagen - in drei Größen und Farben, in grün, weinrot und blau. Der Sommer war gekommen, wenn zur Hardt hoch der weiße Holunder blühte und die Amseln im Schloßpark ihren Nachwuchs zu ersten Flugversuchen verlockten - wenn es im Cafe Pille wieder das wunderbare Pücklereis gab, eine Köstlichkeit aus Schoko-, Vanille- und Himbeereis zwischen zwei Waffeln. Wir Kinder liebten es. Vor dem Cafe Pille stand auf einer Tafel mit Kreide geschrieben: Heute Pücklereis!

Der herbeigesehnte Feriensommer begann nicht nach dem Kalender, er nahm seinen Anfang in der ersten Juliwoche nach dem Empfang der Zeugnisse. Danach freuten wir uns über acht lange schulfreie Wochen. Einige fuhren ins Kinderferienlager des Betriebes, in denen die Eltern arbeiteten, andere nahmen an örtlichen Ferienspielen teil oder am Schwimmlager, betreut von den Sportlehrern Harry Eisenkrätzer und Herbert Reinhold von der Käthe-Kollwitz-Schule.

Wer mit ins Kinderferienlager fahren wollte, erhielt einen Laufzettel für eine ärztliche Untersuchung, danach ein Merkblatt, was ins Ferienlager mitzunehmen war: ein Kulturbeutel mit den üblichen Waschutensilien: Seife, Zahnpasta und –bürste, Handtücher, ein Becher. Ein vollständiges Eßbesteck mit Geschirrtuch gehörte ebenso dazu wie leichte und warme Kleidung für heiße Sonnen- oder kühle Ferientage oder Regenwetter. Einmal fuhren wir für einige Wochen ins Selketal im Harz. In verschiedenen Gebäuden der Selkemühle untergebracht, waren wir von dunklen Märchenwäldern mit mittelalterlicher Burg umgeben, zu der wir einmal wanderten. Dort bewunderten wir den prunkvollen Festsaal und Ritterrüstungen und die geheimnisvollen dunklen Kellergewölbe. Von den Burgfenstern konnten wir von oben herab auf eine wunderbare waldreiche Landschaft sehen. Unvergessen blieb auch eine Nachtwanderung bei Vollmond. Zum Berg- und Abschlußfest stellten wir kleine Programme zusammen mit Volksliedern, Tänzen und einigen Gedichten. Unseren Eltern schrieben wir Ansichtskarten, auf denen wir Unternehmensfreude, gutes Essen und Sonnenschein bestätigten.

Wieder zu Hause, nach wehmutsvollem Abschied im Ferienlager, fuhren wir manchmal zu Verwandten aufs Land oder durchstreiften mit Klassenkameraden die stadtnahe Natur, am Nachmittag tobten wir uns im Bergbad aus. Oder wir fuhren mit dem Fahrrad zum Kyffhäuser oder zur Barbarossahöhle.

Sommer in Sondershausen - wenn man ein wenig träumend die Augen schloß, konnte man ihn sehen, wie er mit dem Aufgehen der Sonne die morgenkühlen Wälder der Wind- und Hainleite durchstreifte. Wenig später saß er auf der Schloßmauer und ließ in der Mittagshitze über der Stadt den feinen Sonnenstaub tanzen. Am Nachmittag durchwehte er die Weizen- und Roggenfelder, an deren Rändern im Sonnenlicht die Blüten des Klatschmohn hellrot aufleuchteten.

In den Gärten reiften die Früchte für feine Kuchen: Stachelbeeren, rote und schwarze Johannisbeeren, nahe am Boden die Erdbeeren und der wunderbare Rhabarber, an den Obstbäumen Sauer- und Süßkirschen, grüne und rotwangige Äpfel und saftige Birnen.

Die Natur ist voller Abenteuer. Auf einer ungemähten Wiese am kleinen Parkteich erfreuten sich Schmetterlinge und Insekten an ihrem unberührten Lebensraum. Die Grashüpfer waren kaum zu sichten, aber weithin zu hören. Die Maulwürfe erweiterten ihre unterirdischen Gänge, gelegentlich schoben sie Erdreich nach oben. Marienkäfer und Ameisen störte das nicht, der Laubfrosch sprang zur Seite, wenn sich die Erde anhob. Über dem Parkteich schwirrten und sirrten die Libellen, das Schwanenpaar zeigte dem Nachwuchs, wie man nach Nahrung am Teichgrund sucht.

Und noch einmal kam Wehmut auf, die letzte Ferienwoche war angebrochen. Im Schreibwarengeschäft von Emmi Weide am Markt waren die neuen Schulbücher eingetroffen. Dazu kauften wir Schreib- und Rechenhefte, einen Zeichenblock für den Unterricht bei Herrn Frenzel, ein Notenheft für die Musikstunde bei Herrn Köhler. Im Bürobedarf Tetzlaff holte ich meinen Füllfederhalter ab, der von Herrn Tetzlaff sorgfältig gereinigt und mit einer neuen Feder versehen worden war.

Die Felder waren abgeerntet, im Park schwiegen die Grillen, und im Cafe Pille gab es kein Pücklereis mehr. Der lange, lange Sommer war vorüber.




Sonnenheller Sommertag am kleinen Schwanenteich im schattenreichen Schloßpark mit früher ungemähter Sommerwiese hinter dem Parkhäuschen  
Foto: Hubert Appenrodt

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