mit Pücklereis, Dreieckbadehose und Klatschmohn
Kindheitserinnerungen an acht
Ferienwochen, an frohe Tage im Kinderferienlager, bei den örtlichen
Ferienspielen, im Schwimmlager oder unterwegs mit dem Fahrrad
VON HUBERT APPENRODT
Sommer in Sondershausen war, wenn das Bergbad öffnete und hierfür im
Sportwarengeschäft in der heutigen Güntherstraße reichlich Dreieckbadehosen
auslagen - in drei Größen und Farben, in grün, weinrot und blau. Der Sommer war
gekommen, wenn zur Hardt hoch der weiße Holunder blühte und die Amseln im
Schloßpark ihren Nachwuchs zu ersten Flugversuchen verlockten - wenn es im Cafe
Pille wieder das wunderbare Pücklereis gab, eine Köstlichkeit aus Schoko-,
Vanille- und Himbeereis zwischen zwei Waffeln. Wir Kinder liebten es. Vor dem
Cafe Pille stand auf einer Tafel mit Kreide geschrieben: Heute Pücklereis!
Der herbeigesehnte Feriensommer begann nicht nach dem
Kalender, er nahm seinen Anfang in der ersten Juliwoche nach dem Empfang der Zeugnisse.
Danach freuten wir uns über acht lange schulfreie Wochen. Einige fuhren ins
Kinderferienlager des Betriebes, in denen die Eltern arbeiteten, andere nahmen
an örtlichen Ferienspielen teil oder am Schwimmlager, betreut von den
Sportlehrern Harry Eisenkrätzer und Herbert Reinhold von der
Käthe-Kollwitz-Schule.
Wer mit ins Kinderferienlager fahren wollte, erhielt einen
Laufzettel für eine ärztliche Untersuchung, danach ein Merkblatt, was ins
Ferienlager mitzunehmen war: ein Kulturbeutel mit den üblichen Waschutensilien:
Seife, Zahnpasta und –bürste, Handtücher, ein Becher. Ein vollständiges
Eßbesteck mit Geschirrtuch gehörte ebenso dazu wie leichte und warme Kleidung
für heiße Sonnen- oder kühle Ferientage oder Regenwetter. Einmal fuhren wir für
einige Wochen ins Selketal im Harz. In verschiedenen Gebäuden der Selkemühle
untergebracht, waren wir von dunklen Märchenwäldern mit mittelalterlicher Burg
umgeben, zu der wir einmal wanderten. Dort bewunderten wir den prunkvollen
Festsaal und Ritterrüstungen und die geheimnisvollen dunklen Kellergewölbe. Von
den Burgfenstern konnten wir von oben herab auf eine wunderbare waldreiche
Landschaft sehen. Unvergessen blieb auch eine Nachtwanderung bei Vollmond. Zum
Berg- und Abschlußfest stellten wir kleine Programme zusammen mit Volksliedern,
Tänzen und einigen Gedichten. Unseren Eltern schrieben wir Ansichtskarten, auf
denen wir Unternehmensfreude, gutes Essen und Sonnenschein bestätigten.
Wieder zu Hause, nach wehmutsvollem Abschied im Ferienlager,
fuhren wir manchmal zu Verwandten aufs Land oder durchstreiften mit
Klassenkameraden die stadtnahe Natur, am Nachmittag tobten wir uns im Bergbad
aus. Oder wir fuhren mit dem Fahrrad zum Kyffhäuser oder zur Barbarossahöhle.
Sommer in Sondershausen - wenn man ein wenig träumend die
Augen schloß, konnte man ihn sehen, wie er mit dem Aufgehen der Sonne die
morgenkühlen Wälder der Wind- und Hainleite durchstreifte. Wenig später saß er
auf der Schloßmauer und ließ in der Mittagshitze über der Stadt den feinen
Sonnenstaub tanzen. Am Nachmittag durchwehte er die Weizen- und Roggenfelder,
an deren Rändern im Sonnenlicht die Blüten des Klatschmohn hellrot
aufleuchteten.
In den Gärten reiften die Früchte für feine Kuchen:
Stachelbeeren, rote und schwarze Johannisbeeren, nahe am Boden die Erdbeeren
und der wunderbare Rhabarber, an den Obstbäumen Sauer- und Süßkirschen, grüne
und rotwangige Äpfel und saftige Birnen.
Die Natur ist voller Abenteuer. Auf einer ungemähten Wiese
am kleinen Parkteich erfreuten sich Schmetterlinge und Insekten an ihrem
unberührten Lebensraum. Die Grashüpfer waren kaum zu sichten, aber weithin zu
hören. Die Maulwürfe erweiterten ihre unterirdischen Gänge, gelegentlich
schoben sie Erdreich nach oben. Marienkäfer und Ameisen störte das nicht, der
Laubfrosch sprang zur Seite, wenn sich die Erde anhob. Über dem Parkteich
schwirrten und sirrten die Libellen, das Schwanenpaar zeigte dem Nachwuchs, wie
man nach Nahrung am Teichgrund sucht.
Und noch einmal kam Wehmut auf, die letzte Ferienwoche war
angebrochen. Im Schreibwarengeschäft von Emmi Weide am Markt waren die neuen
Schulbücher eingetroffen. Dazu kauften wir Schreib- und Rechenhefte, einen
Zeichenblock für den Unterricht bei Herrn Frenzel, ein Notenheft für die
Musikstunde bei Herrn Köhler. Im Bürobedarf Tetzlaff holte ich meinen
Füllfederhalter ab, der von Herrn Tetzlaff sorgfältig gereinigt und mit einer
neuen Feder versehen worden war.
Die Felder waren abgeerntet, im Park schwiegen die Grillen,
und im Cafe Pille gab es kein Pücklereis mehr. Der lange, lange Sommer war
vorüber.
Sonnenheller Sommertag am kleinen Schwanenteich im
schattenreichen Schloßpark mit früher ungemähter Sommerwiese hinter dem
Parkhäuschen
Foto: Hubert Appenrodt
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