Zum dritten Adventssonntag
Von sorgsamen
Weihnachtseinkäufen früher
und dem Adventskalender aus dem Kindermagazin
Von HUBERT APPENRODT
Zum Vorbereiten auf die Weihnachtstage gehörten die
Einkäufe. Die Geschenke besorgte unsere Mutter allein. Sie sollten ja am
Heiligabend für jeden eine Überraschung sein. Die anderen Einkäufe erledigte
ich aber zusammen mit ihr. Lag Schnee, banden wir einen größeren Korb auf einen
Schlitten, lag keiner, nahmen wir zum Einkauf einen kleinen Handwagen mit.
Wenn der Tag gekommen war, wartete meine Mutter, bis ich aus
der Schule kam. Dann gingen wir gemeinsam in die Stadt. In der Fleischerei am
Planplatz bei Frau Schwarzkopf und Frau Steinmark bestellten wir den
Festbraten. Das wurde mit einem Bleistift sorgfältig im Kundenbestellbuch
notiert. In der Drogerie Merx ertönte beim Betreten des Geschäfts ein
Glöckchen. War kein Kunde im Laden, kam Frau oder Herr Merx aus der etwas
höheren Wohnung das kleine Treppchen zum Verkaufsraum herunter. Wir suchten die
Weihnachtskerzen aus und nahmen loses Vogelfutter und Meisenringe für die Vögel
mit, die über den Winter zu uns ans Fensterbrett kamen, manchmal auch Kernseife
und Waschpulver für die letzte Wäsche im Jahr. Bei Bäcker Müller nur wenige
Meter weiter kauften wir die Hefe für die Weihnachtsstollen. Bei den
Geschwistern Kurze, neben dem Zigarettengeschäft und der Lottoannahmestelle von
Paula Krause, gab es das Geschenkpapier und die roten Bänder zum Verschnüren.
Danach gingen wir zur anderen Straßenseite hinüber, zum Lebensmittelgeschäft
Hoffman. Hier kauften wir die Zutaten für die Weihnachtsplätzchen und für
fünfzehn Stollen, deshalb der Korb auf dem Schlitten oder der kleine Handwagen.
Der letzte Stollen wurde Ostern verzehrt. Hatte man Glück, gab es alle Zutaten,
Mehl und Zucker, Nüsse und Mandeln, Rosinen und Zitronat. Bei Emmi Weide am
Markt kaufte meine Mutter einen Nußknacker aus dem Erzgebirge für meinen
Bruder. Daran kann ich mich noch erinnern. Bei Tetzlaff gegenüber dem Cafe
Pille erwarben wir die Weihnachtskarten, auf der Hauptpost die Weihnachtsmarken
mit Märchenmotiven. Die waren in jedem Jahr sehr schön.
Und dann kam für mich der schönste Augenblick, am
Zeitungskiosk gegenüber der Post legte ich fünfzig Pfennige für das
Kindermagazin „Fröhlich sein und Singen“ auf den Teller, das alljährlich einen
wunderbaren Adventskalender enthielt. Wenn man ihn zu Hause aufschlug,
entfaltete sich entweder eine kleine Stadtlandschaft mit erleuchteten Fenstern
und Schnee auf den Dächern oder eine verschneite Waldlichtung mit Tieren an
einer Futterkrippe. Und vierundzwanzig ungeöffneten Fenstern. War das letzte am
Morgen geöffnet, schlug das Herz höher, und die Stunden bis zum Abend wollten
einfach nicht vergehen. Dann war es doch soweit: „Jetzt könnt ihr kommen“,
sagte unsere Mutter, und wir betraten mit klopfenden Herzen das
Weihnachtszimmer. Und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Alle Kerzen
brannten, und jede schenkte dem Raum ein wunderbares Licht. Unter dem
geschmückten Weihnachtsbaum lagen die Gaben für uns Kinder, über die wir uns
immer freuten. Unsere Eltern freuten sich mit uns über die erfüllten Wünsche
und auch über unsere Dankbarkeit, denn wir hatten auch Geschenke für sie. Wir
sangen immer ein Weihnachtslied, mein Bruder Klaus spielte dazu auf dem
Klavier. Dann gab es Kartoffelsalat mit Wiener Würstchen, in jedem Jahr. Zu
Bett gingen wir erst, wenn wir müde waren. Das durften wir an diesem Abend und
konnten kaum einschlafen und standen früh auf, weil es zu schön war, mit den
neuen Geschenken zu spielen.
An beiden Weihnachtstagen kam immer Besuch, meine
Großmutter, Onkel und Tanten Cousins und Cousinen, am zweiten Tag Freunde und
Bekannte. Dann bauten wir Kinder manchmal die Eisenbahn auf und ließen sie um
den Besuch herumfahren. Ich hörte gern den Gesprächen der Erwachsenen zu. Es
gefällt dem Himmel, wenn die Menschen einander Freude schenken und einander
achten. Dem Jesuskind in der Krippe brachten die drei Könige aus dem Morgenland
als Geschenke Gold, Weihrauch und Myrrhe. Deshalb ist auch heute noch Weihnachten
ein Fest besonders für die Kinder. Jedes Kind ist für Vater und Mutter ein
kleiner Heiland. Das ist auch in Sondershausen so.
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