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Donnerstag, 10. März 2016




Zum zweiten Adventssonntag

Vom vorweihnachtlichen Zauber in der Kindheit und vom vorweihnachtlicher Glanz und Leuchten in der Stadt




Von HUBERT APPENRODT

Wenn im rotgelben Herbst die letzten Laubfeuer, für uns Kinder die Kartoffelfeuer, in den kahlen Gärten erloschen waren und die Mütter allen Rauch aus den Sachen ausgewaschen, wenn die Nebel keine Lust mehr auf den November hatten und keiner mehr am dunklen Novemberabend ein Gruselmärchen erzählen wollte, weil nun eine ganz andere Zeit langsam in unsere Herzen vordrang, verbreiteten sich in der Stadt noch vor den Dezembertagen hierfür unübersehbar die ersten Anzeichen. Die Vorweihnachtszeit mit ihrem ganz eigenen Glanz, ihrem Schimmern und Leuchten war gekommen und verbreitete sich auf allen Straßen und Plätzen, auf den Märkten und in jeder Gasse, leuchtete in den Schaufenstern auf und drang in alle Häuser und Wohnstuben. Die langen, langen Tage der Erwartung, der Vorfreude auf das schönste Fest im Jahr waren gekommen.

Ab nun gab es in der Stadt viel zu sehen und zu bewundern. Am schönsten war es beim Heimgehen in der Abenddämmerung, wenn das warme gelbe Licht der Schaufenster die Gehwege erleuchtete, mit dem vorfestlichen Straßenlicht. Und was gab es nicht alles zu bestaunen. Ob nun bei Bäcker Braun oder Bäcker König auf dem Planplatz, bei Bäcker Müller oder Bäcker Hengstermann oder in den Auslagen von Bäcker Axt, ihre Familienbetriebe hatten sich in Weihnachtsbäckereien verwandelt, von nun an mit Lebkuchenherzen und Weihnachtsstollen in den Auslagen, mit Weihnachtsplätzchen und Pfefferkuchenhäuschen, als Blickfang die Herberge mit Maria und Joseph und dem Jesuskind, gleichfalls aus Backwerk, bewundert von den Hirten, beschützt und behütet von den Engeln über ihnen und beschenkt von den drei Königen aus dem Morgenland, alle aus Lebkuchen. Das alles nahmen wir wohl wahr, verweilten aber nicht lange vor dem Schaufenster und eilten schnell zu den Spielzeugläden. Sie hatten sich über Nacht in weihnachtsschöne Märchenlandschaften verwandelt, der große Spielzeugladen gegenüber den Haushaltwaren, aber auch das kleinere Geschäft von Herrn Opitz in der Hauptstraße weiter oben. Die Überfülle und Farbenpracht in den Auslagen ließ unsere Kinderherzen höher schlagen, und wir verweilten lange vor den Schaufenstern, ob es nun kalt war, nieselte oder erster Schnee fiel, das war uns gleich.

Kein Geschäft in diesen Tagen, in der Ober- oder Unterstadt, das sich nicht auf die Tage im Advent und das bevorstehende Fest eingestellt hatte. Ob nun Schuhhaus Zander oder der Uhren- und Schmuckladen Scholz, ob das Möbelhaus Faßheber oder Friseurgeschäft Kirchner, selbst die Apotheken und Optikerläden ließen im Schaufenster zwischen ihren Angeboten die Vorweihnachtszeit aufleben. Auch das kleine Geschäft für Fahrräder und Zubehör in der Hauptstraße von Frau Schwarzkopf, einer freundlichen Frau, die immer lächelte, aber manchmal vielleicht doch auch ein bißchen traurig war. Überall waren nun grüne Tannenzweige zu sehen, behangen mit Gold- und Silberfäden, versehen mit Glöckchen und roten Kerzen, rechts und links mit Wichteln und Zwergen, dazwischen wachsame Hirten, schwebende Engel und Weihnachtsmänner mit Rauschebart, über allen silberne und goldene Weihnachtsterne. In den Papierwarenläden lag jetzt das Weihnachtssortiment obenauf, Weihnachtspapier und Weihnachtskarten, die roten Schleifen und Bänder, die bunten Weihnachtsteller für die Äpfel und Apfelsinen, für die Nüsse und Süßigkeiten unterm Tannenbaum. Nicht fehlen durften die Nikolausstiefel für den sechsten Dezembertag. Im Blumengeschäft Spieß waren Adventskränze erhältlich, die Weihnachtsbäume selbst gab es dann in der letzten Woche vor dem Fest auf dem Weihnachtsmarkt.

Wohl jeder wurde in dieser Zeit vom Zauber der Vorweihnachtszeit erfaßt. Am meisten wir Kinder. In den Wohnstuben war es warm und behaglich. Jeder Morgen im Dezember war ein erwartungsfroher Dezembermorgen, der Wunschzettel war längst fein säuberlich geschrieben, jede Stunde am Tag war mit Frohsinn gefüllt, der Abend war den Märchen und alten Erzählungen vorbehalten. In manchem Jahr fehlte zur Vollkommenheit nur der erste Schnee. In der Erinnerung ist er immer da. Da steht das staunende Kind hinter dem Fenster mit leuchtenden Augen und ruft, es schneit, es schneit.

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