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Donnerstag, 10. März 2016




Aus vergangenen Kindheitstagen im Herbst
mit Kastanien und Kartoffelfeuer

Zum Herbstanfang eine kleine Erinnerung an vergangene Kindheitstage in Sondershausen

Von HUBERT APPENRODT

Sondershausen. Für uns, als wir noch Kinder waren, war der Herbst immer dann gekommen, wenn wir nach dem Unterricht in der Gartenstraße die ersten Kastanien auflesen konnten. Kam über Nacht ein kräftiger Herbstwind auf, der die Straßen durchwehte und auch an den Laibbäumen am Gottesacker rüttelte, war am Morgen der breite Gehweg oft mit halb aufgeplatzten Früchten reichlich übersät, und wir lasen die Kastanien recht schnell auf.

Manche verwendeten wir zum Basteln, zu Hause oder im Werkkundeunterricht. Dazu wählten wir verschiedene Größen aus, nahmen Eicheln hinzu, Moos und kleine Zweige, und im Nu zierten kleine Herbstlandschaften mit Figuren eine Ausstellungsvitrine in unserer Schule oder bei uns zu Hause den kleinen Stubentisch am Wohnzimmerfenster. Wenn unsere Nachbarin Frau Baumbach aus ihrem Garten in Stockhausen, in den sie mich manchmal mitnahm, ihren alljährlichen Strauß Herbstastern vorbeigebracht hatte, war das gleichwohl ein Zeichen, daß nun der Herbst gekommen war. Und ich nahm meinen Malkasten und verewigte den rötlichen Herbstzauber auf Aquarellpapier. Das kaufte ich immer im Schreibwarengeschäft bei Emmi Weide, in der Hauptstraße neben dem alten Thüringer Hof.

Neben den Kastanien in der Gartenstraße trugen auch die Rotbuchen neben unserer Schule in der Puschkinpromenade oft reichliche Früchte, die wir gleichfalls aufsammelten. Immer im September, wenn es ein trockenes Jahr gegeben hatte, gab es sehr viele von ihnen, im folgenden Jahr stets nur wenige. Einmal hob Winfried aus meiner Klasse eine von den Bucheckern auf, zerbrach die seltsam geformte rauhe Schale und zeigte uns die beiden braunglänzenden Nüsse: „Die kann man essen.“ - „Die schmecken sogar“, sagte Herbert. Bernd blieb skeptisch, aber dann probierte er auch eine von ihnen.

Wenn in der Wind- und Hainleite die Wälder begannen sich zu verfärben, im Schloßpark und in den Alleen die ersten Blätter herabfielen, war es bald Zeit, überall das Laub zusammenzufegen, und wir freuten uns auf die Herbstfeuer. Wir besorgten uns Kartoffeln, die wir auf Holzstöckchen aufspießten und in die Glut hielten. Die bald garen Kartoffeln schmeckten wunderbar, die kleinen Aschereste störten uns nicht.

Am letzten Schultag vor den Herbstferien brachte Frau Rosenstiel ihr Akkordeon mit in ihre  Schulklassen, und wir sangen das wunderbare Herbstlied „Bunt sind schon die Wälder - mit Blick hinaus ins Weite und Freie und mit Vorfreude auf die Ferientage. Frau Rosenstiel wird bald neunzig Jahre und spielt noch immer herrlich auf ihrem Akkordeon - zu den Proben oder, wenn der Chor Stimme der Heimat einen Auftritt hat.

Später, als wir zu den älteren Schülern zählten, fuhren wir mehrere Male während der Herbstferien zum Kartoffellesen aufs Land. Für jeden gefüllten Korb gab es eine Marke, die dann nach Ende der Tageslese verrechnet wurden. Meistens für die Klassenkasse, für einen Ausflug im Frühjahr zur iga nach Erfurt oder zum Schulabschluß nach Oberwiesenthal für eine letzte unvergeßliche gemeinsame Woche – mit Herrn Rosenstiel und seiner Frau, dem Direktor unserer Schule und unserem Klassenlehrer. Bei beiden haben wir viel gelernt.

Was gehörte noch in unserer Kindheit zum Herbst: die Geschichte im Lesebuch vom Igel mit aufgespießtem Apfel auf dem Rücken, die Äpfel aus dem Garten meines Großvaters für den Winter, manchmal neue Schuhe oder eine neue lange Hose für die kühlen Tage, einige endlose Regentage, an denen wir unsere Märchenbücher hervorholten, eine kleine Erkältung, einige wundersame Herbststürme, die Novembernebel, das Totengedenken - die ersten Adventssonntage.

In diesen Tagen traf ich vor der Haustür meinen Nachbarn Daniel, seit dem August drei Jahre, der mit seiner Mutter vom Kindergarten gerade nach Hause kam - in der Hand eine braunglänzende Kastanie. Und woher hast du sie, fragte ich. Die hat mir, sagte Daniel, der Herbst geschenkt.

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