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Donnerstag, 10. März 2016





Erinnerungen als ungeschriebenes Buch

zum ewigen Lehrer- und Schülernachruhm

Kleine Sondershäuser Alltagsgeschichte – unsere Klassentreffen

Klassentreffen sind stets kleine Erinnerungsfeste. Am Beginn steht der erste Schultag, der allen Erinnerungen voranleuchtet. Das war für uns vor sechzig Jahren, an einem Donnerstag, am ersten September. Da saßen wir zum ersten Mal neugierig nebeneinander in der Aula der Käthe-Kollwitz-Schule. Vornehmlich unsere Mütter hatten uns auf diesen Tag vorbereitet und darauf, was danach vor allem auf uns zukäme, allerlei Pflichten, zum aufmerksamen Zuhören und fleißigen Lernen und Erledigen der Hausaufgaben. Zunächst aber erst einmal der freudige Empfang der Zuckertüten vom großen Zuckertütenbaum in der Aula. Herr Muhlack, der Schuldirektor, hielt eine kleine Ansprache, danach trugen einige von den größeren Schülern Gedichte für uns Erstkläßler vor, und sie sangen einige Lieder. Frau Rosenstiel begleitete sie dazu auf dem Akkordeon, das sie noch heute spielt. Nach der kleinen Feier gingen wir durch das Schulgebäude und betraten ein wenig aufgeregt zum erstenmal unsere Unterrichtsräume. Wir setzten uns still in die Bankreihen. Wir waren jetzt Schüler der Klasse 1a und 1b und lauschten andächtig den Worten von Fräulein Weiß und Fräulein Kirchner, unseren Klassenlehrerinnen – an unserem ersten unvergeßlichen Schultag.



Wenn zum Klassentreffen die Einladungen verschickt, am vereinbarten Tag alle erschienen, begrüßt und wiedererkannt sind, genügt es, für einen Augenblick die Augen zu schließen, und alles Vertraute von damals stellt sich sogleich wieder ein – das gemeinsame Lernen und Heranwachsen, die Erinnerung an Freundschaften, Vorlieben und weitererzählte Geheimnisse, die Vergabe von Spitznamen an unsere Lehrer. Ein Jahr war damals für uns noch unendlich lang, die Woche verging kaum, ein Tag hatte so viele Stunden. Vielleicht nahmen wir gerade deshalb so vieles an Erinnerungswertem in uns auf – für später, für das große Gespräch über unser Schülerdasein, das immer wieder neu geführt werden will. So war das beim Klassentreffen im Altstadtcafe vor sechs Jahren, und so war es auch vor zwei Jahren beim Wiedersehen im Thüringer Hof – mit anschließender Stadtbesichtigung und Klassenfoto am sonnigen Spätnachmittag am Sondershäuser Markt.



In diesem Jahr war für ein neues Zusammentreffen der Possen auserwählt worden, am ersten Juniwochenende, zu dem wir in der Schulzeit oft hinaufgewandert waren. Und so saßen wieder einmal die ehemaligen Schüler aus der A neben den Schülern aus der B, also die wohlgeratenen Söhne und Töchter der einen Klasse, wie wir das damals empfanden, neben jenen mit leichtem Hang zu Anarchie und Aufmüpfigkeit. Das sagten wir uns gegenseitig nach; inzwischen sind wir frei von allen Vorurteilen. Gereifte Banknachbarn der einen Klasse plauderten mit den Banknachbarn der Parallelklasse. In diesem Jahr im reservierten Festsaal des Possenrestaurants - vor großen hellen Fenstern unseres Lebens, an einer langen Tafel der Erinnerungen. Die kleinen Erzählungen schwirrten laut und gar nicht leise durch den Raum, begegneten und ergänzten einander. Sammelte jemand alle einmal ein, ergäbe das ein dickes Buch zum ewigen Schüler- und Lehrernachruhm.



Wenn bei unseren Klassentreffen der Nachmittag gekommen ist, gibt es immer eine Überraschung. In diesem Jahr war es das Ansetzen eine Schulsportstunde mit kräftiger Eröffnung: Sport frei!, und wie damals mit Antreten, Ausrichten, Durchzählen, Stationsbetrieb, mit Gewinnern und Trostpreisen, mit viel Spaß. Und besinnlichem Ausklang dann später nach der Kaffeestunde am Nachmittag, zum Beginn der Abenddämmerung, der Zeit, sich zu verabschieden, mit dem Versprechen, das nächste Mal wiederzukommen.



Unsere angenehmen Klassentreffen haben wir einem glanzvollen Vorbereitungskomitee zu verdanken, dem nur ehemalige Mitschülerinnen angehören. Sie tagen alle sechs Wochen, in alphabetischer Reihenfolge: Christel, Dorothea, Hannelore, Marga, Regina und Veronika, denen bereits jetzt für das nächste Treffen in der Stillen Liebe unser Dank im voraus gebührt – und allen anderen auch, die in Sondershausen und anderswo im Landkreis für ihre Mitschüler gleichfalls erinnernswerte Klassentreffen organisieren. Das Leben ist ein langsamer, ruhiger Fluß - bei gegebenem Anlaß läßt sich darüber heiter und vergnügt erzählen.



HUBERT APPENRODT

1 Kommentar:

  1. Da möchte man das nächste Klassentreffen doch glatt vor verlegen, wenn so schön darüber geschrieben wird.

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