Zum Tag des Bergmanns
mit Freddy Quinn auf der Lohbühne
Unvergessene Festtage im
Lohpark: das Gedränge war stets groß, die Bankreihen vor der Lohbühne immer
besetzt beim frohen Beisammensein am Ehrentag der Glückauf-Bergleute
VON HUBERT APPENRODT
In
jedem Jahr freuten wir uns im Sommer auf den ersten Sonntag im Juli, auf den
Tag des Bergmanns mit seiner Festlichkeit und seinen vielversprechenden
Veranstaltungen im Lohpark. Bereits am Morgen zog die Bergmannskapelle mit
einem kraftvollen „Glückauf“ durch die Straßen, um mit einem musikalischen
Morgengruß die Bürger der Stadt auf den Ehrentag der Bergleute einzustimmen.
Die ansehnlichen Uniformen und Ehrenkleider saßen tadellos, im Sonnenlicht
glänzten die blankgeputzten Instrumente, und die Musiker spielten frisch auf,
daß es allen eine Freude war - die Stubenfenster waren weit geöffnet, ebenso
die Ohren und Herzen der Stadtbewohner.
Frohsinn und gute Laune setzten sich danach auf dem
Festplatz im Lohpark fort, vom frühen Vormittag bis in den Abend hinein sorgten
künstlerische Darbietungen auf der Lohbühne für allerlei Abwechslung. Das
Lohorchester spielte, Volkstanzgruppen und Chöre der Stadt traten auf, und es
gab auch Aufführungen der Konzert- und Gastspieldirektion zu bewundern, manchmal
mit bekannten Künstlern, die wir vom Fernsehen her kannten. Die Organisatoren
ließen sich alljährlich stets etwas Besonderes einfallen. Auch die
Gaumenfreuden kamen nie zu kurz - an den Bratwurstrosten, in den Festzelten und
an den Brauereiwagen mit Bierausschank, an den Verkaufsständen für Eis und
Schokolade. Für uns Kinder war der Bergmannssonntag ein ebenso freudiger Tag
wie für die Bergarbeiter und ihre Familien - und für die Bürger der Stadt, die
alljährlich eingeladen waren, mit den Kaliwerkern ein frohes Beisammensein zu
begehen.
Vorausgegangen waren zuvor Auszeichnungsveranstaltungen in
verschiedenen Betriebsteilen und Brigaden und auf einer zentralen
Festversammlung, bei denen Bergleute, aber auch Arbeiter des Kaliwerks und
Angestellte mit beachtenswerten Leistungen als Aktivist oder als Verdienter
Bergmann ausgezeichnet worden waren oder die Ernennung zum Meisterhauer
erhalten hatten. Die Auszeichnungen waren Grund genug, die Freude darüber mit
anderen zu teilen, vor allem zu begießen. Dafür gab es auf dem Festplatz
ausreichend Gelegenheit.
Das Gedränge war stets groß, alle Bankreihen vor der
Lohbühne immer besetzt. Die Bratwurstroste verbreiteten den ganzen Tag über
ihren wohlriechenden Duft, die erwachsenen Männer tranken ihr Bier vom
Riesenfaß in dickwandigen Gläsern, wozu verschiedene Brauereien des Landes
festlich geschmückte Ausschankwagen nach Sondershausen entsandt hatten. Für uns
Kinder gab es nach der Bratwurst mit Brötchen und viel Senf aus einem großen
Topf neben dem Rost eine Faßbrause, später ein Eis und, wenn das Geld noch
reichte, für den Heimweg eine kleine Tafel Schokolade. Hierfür hatten wir ein
ausreichendes Taschengeld erhalten.
Kam die Dämmerstunde, hatten wir, wie den Eltern
versprochen, nach Hause aufzubrechen. Das Bühnengeschehen war jedoch besonders
an lauen, windstillen Sommerabenden noch weithin zu vernehmen. Zu Hause
angekommen, lauschten wir deshalb oft noch eine Weile vor dem Haus, was aus dem
Lohpark bis zu uns herüber drang. Fast immer spielte jetzt eine Kapelle zum
Tanz auf, für die Neu- und Altverliebten vor der Lohbühne. Einmal gab es eine
kurze Unterbrechung und dann die Ansage, daß jetzt ein junger Mann mit seiner
Gitarre zu hören sei, ein musikalisches Talent aus Sondershausen, damals
vielleicht um die neunzehn Jahre alt, der fast eine Stunde lang ein Solokonzert
gab – vor allem mit beliebten Liedern von Freddy Quinn. Nach jedem Vortrag gab
es Riesenbeifall, besonders für „Fährt ein weißes Schiff nach Hongkong“ und
„Junge, komm bald wieder“, und immer wieder laute Rufe nach Zugabe.
So erklang ein Lied nach dem anderen, über Liebe im Hafen
und Matrosen auf hoher See, über Sehnsucht nach der Ferne, über Heimweh und Einsamkeit.
Der wunderbare Gesang zur virtuos beherrschten Gitarre war sehr berührend und
blieb vielen von uns unvergessen. Es war ein vortrefflicher Festtagsabschluß,
über den in der Stadt noch lange gesprochen wurde.
Einige Tage später lenkte im Bergbad ein Klassenkamerad die
Aufmerksamkeit auf einen jungen Mann, der auf einer Liegewiese seine Decke
ausgebreitet hatte und leise auf seiner Gitarre spielte, mit leuchtenden Augen
angehimmelt von einem jungen Mädchen neben ihm. „Das ist er, vom Bergmannstag.“
Und er fügte versonnen hinzu: „Gitarre müßte man spielen können – oder
wenigstens Klavier.“
VON HUBERT APPENRODT